Geschichten aus dem Norden

Windbeutel

Windbeutel

Mit einer Grazie, die ihr schon mit der Muttermilch eingeflößt wurde, lässt sich Elisa seufzend auf die einsame Bank an der Elbe nieder. Gedankenverloren streichen ihre Finger über den Hals…
Sie hebt ihr Gesicht den Sonnenstrahlen entgegen.

„Endlich allein, weit weg von diesem Irrsinn in der letzten Stunde.
Ahhh, herrlich diese Stille.“ Kein Mensch weit und breit. Auch begegnete ihr in den letzten fünf Minuten keiner.
Leise schwappt das Wasser der Elbe ans Ufer.
Wie gerne würde sie die vergangene Stunde vergessen.
Alles begann so harmlos.

Ihr Sohn schlug ihr vor, in dieses eine Lokal an der Elbe zu gehen.
„Mama, du glaubst es nicht!
Dort serviert man einen Riesenwindbeutel. So ein Ding ist dir noch nie unter die Augen gekommen.“
Sein Zwinkern dazu sagt alles. Denn
beide sind leidenschaftliche Kuchenliebhaber.
Und Neugier auf alle unbekannten Spezialitäten. Oh ja, Elisa lässt sich in dieser Beziehung leicht verführen.

„Es tut mir leid Mama, dass ich heute keine Zeit für dich habe, aber mit diesem Windbeutel bist du so beschäftigt, dass du mich nicht vermisst“..

„Ja ja mein Sohn, dieser dumme Windbeutel,“ seufzt Elisa rückblickend.

Nur zögernd ging sie in das empfohlene Lokal.
Wäre sie doch gleich wieder hinausgegangen, als sie diese Menschenmenge sah. Dazu noch alleine essen zugehen,
es war einfach nicht nicht ihr Ding.
Aber nein,
ihre Neugier nach dem Riesenwindbeutel überwog alle Ängste.

Ein Platz in der vom Fenster entferntesten Ecke wurde gerade frei.
„Aus der Traum, nicht einmal das Panorama der Elbe kann ich genießen.“
Sie steuerte auf den Tisch zu. Jetzt saß sie direkt neben einem breiteren Gang. Wäre nicht anstößig, wenn, ja wenn dort nicht immer wieder ein paar Kinder Fangen spielten, oder hin und her jagten.

Elisas Phantasie gaukelte ihr eine von den Kindern angerempelte Kellnerin vor. Die ein Tablett mit Windbeuteln balancierte, während die Eltern gemütlich speisten…
Klirr, das Tablett flog in die Luft und alle Windbeutel darauf verteilten sich auf dem Boden.

„Oh man, warum tu ich mir dieses an?“
Rechts neben ihr am Tisch saß ein knutschendes Pärchen.
In sich versunken und fern ihrer Umgebung.
„Na das kann ja heiter werden.“

Viele Eltern mit kleinen Kindern hatten scheinbar gerade diesen Tag auserkoren, so einen Windbeutel zu genießen.
An den Nachbartischen sah Elisa dieses Wunderexemplar.
Sein hell brauner, wie eine Zipfelmütze aussehender Deckel bedeckte eine zarte Puderzuckerschicht. Darunter quollen Sahne mit Erdbeeren hervor.
„Viel zu groß für eine Person stellte sie fest, denn viele von den Riesendingern wurden nur halb aufgegessen von dem Personal zurückgetragen.

Nachdem Elisa ihre Bestellung der Kellnerin mitteilte, bekam sie als Antwort, „etwas warten müssen sie schon.“ Undeutlich hörte sie die Worte „Engpass“ und „schönes Wetter“.
Die Tasse Kaffee bekam sie aber prompt mit einem entschuldigenden Lächeln serviert.
„Na dann trinke ich eben zuerst nur Kaffee,
scheinbar ist heute nicht mein Tag.“

Vorsichtig schmiss Elisa das Ende ihres hauchdünnen regenbogenfarbigen Schals über die Schulter.
Sie wollte nicht, dass er in die Kaffeetasse oder in den später kommenden Windbeutel rutschte.
Die Farben des Schals unterstrichen die Eleganz ihres dunkelgrauen Etuiseidenkleides.

Damals als sie ihn nach dem Kauf stolz ihren Söhnen zeigte, kam der einstimmige Ruf, „ein Schwulen-schal.“
Die Jungs mussten es ja wissen, da sich einer ihrer Söhne gerade outete.
„Schwulen-schal, ja und?“
Sie liebte ihn nun mal und konnte ihn locker zwei Mal um den Hals drappieren.

Ein kleiner dicker Junge, Elisa schätzte sein Alter auf drei Jahre, kam angerannt. Stoppte vor ihr und sah sie stumm mit hell blauen Augen an.
Ein Finger steckte in der mit Sahne beschmierten Schnute.
„Hallo kleiner Mann hat dir der Kuchen geschmeckt?“
Elisa lächelte.
„Na also, wenigstens einen Gesprächspartner hab ich aufgetan, obwohl
mit dem Reden hapert es seinerseits.“
Langsam nahm der Kleine den Finger aus dem Mund, ein dicker Sabberfaden floss mit heraus.
Wie in Zeitlupe griff er nach dem Schal.
„Nein mein Schatz das gefällt mir nicht, sag
wo sind deine Eltern?“ Hilfesuchend sah sich Elisa um. „Kann man so einen Steppke einfach allein durch dieses gefüllte Lokal laufen lassen?“
Als sie wieder zurück zum Kleinen blickte, war er verschwunden.
„Auch gut. Also Kaffee, mal sehen ob du genießbar bist.“
Ihr Griff zur Tasse wurde auf halbem Weg gestoppt, denn…..
Ein Ruck ging durch ihren Körper.
Jemand zog von hinten heftig an ihrem Schal.
Ihr Kopf flog zurück und sie versuchte krampfhaft,
den Schal zu lockern, er schnürte ihr die Kehle ab.
„Oh Gott was passiert hier?“
Schnappend holte sie Luft und ruderte mit den Armen.
Aus den Augenwinkeln sah sie das grinsende dicke Kerlchen kräftig an ihrem Schal ziehen.
Die Schlinge zog sich zu…
Wut auf diese Göre brach aus ihr heraus.
„Verflucht,“ dachte sie,
„du bringst mich nicht um, Knabe!“
Diese Wut gab ihr Kraft.
Hektisch griff Elisa nach der Tischdecke.
„Merkte denn keiner dieser vielen Menschen, was hier geschah?“
Endlich,
ihr wurde schon schwarz vor Augen hörte sie weit entfernt einen schrillen Schrei.

Das knutschende Mädchen sah entsetzt auf die schwappende Kaffeetasse.
„Was machen sie denn da,“ rief sie empört,
sah Elisa mit großen Augen an und erst dann merkte sie, dass es bei Elisa um Leben und Tod ging, denn aus ihrem Mund kam nur noch ein röcheln.
Das Mädchen schrie den kleinen Bengel an, „lass sofort den Schal los ungezogenes Balg!“ Von diesem rüden Ruf erschreckt, fing das Gör laut an zu weinen.
Aus weiter Ferne hörte Elisa, dass die suchende Mutter des Jungen anfing, zu keifen.
„Wie können sie meinen Sohn so anschreien!
Komm mein Schatz, gehen wir weg von der bösen Frau.“

Kellner kamen herbeigeeilt und riefen durcheinander. Andere Gäste drehten sich zu ihr um. Sie stand dank dieses Zwischenfalls im Mittelpunkt.
Wollte sie dieses? Oh nein!!
Es war Elisa alles so peinlich.
Mit, wie sie dachte bestimmt auberginefarbenem Gesicht
krächzte sie ein „Dankeschön“ dem Mädchen zu.
Langsam erholte sie sich.
Dann stand sie steif auf, mit weichen Knien stolzierte sie,
ohne nach rechts oder links zu blicken aus dem Horrorlokal.
„Schnell hinaus und weg von dieser Meute,
raus, raus, raus.“
Diese Worte umkreisten ihr Denken.

Jetzt sitzt sie hier an der Elbe.
Die Ruhe und ein paar Sonnenstrahlen sind Balsam für ihr Gemüt.
Es ist herrlich,
sie atmet tief ein.
„Ade Windbeutel..“

Elke Heinze-Berlin

Eine Ostergeschichte

„Omi aufstehen, komm Eier suchen!“

„Wow,“erschrocken reiße ich die Augen auf.
Verschwommen sehe ich mein Enkelkind Lisa
mit meinem Bademantel in der Hand vorm Bett stehen.

Mein zweiter, jetzt schon klarerer Blick geht zum Wecker, „oh nein,“
stöhnend richte ich mich auf.
Nur eine Stunde Schlaf liegt hinter mir..
Langsam quäle ich mich aus dem Bett. Mein Blick fällt auf meinen Fuß,
„sauber ist er ja geworden.“

Zwei Stunden ist es her, da war ich zum ersten Mal auf den Beinen,
um die Ostereier zu verstecken.
Barfuß natürlich.
Hatte keine Lust mir auch noch Pantoffeln anzuziehen,
sollte alles in Windeseile geschehen, bin ja flink.
„Auch ist es nicht mehr kalt draußen.“
Oh ja, dass dachte ich.
Aber weit gefehlt.
Nach einer Weile bereute ich meine Bequemlichkeit, Schuhe anzuziehen.
Leise vor mich hin fluchend versteckte ich die
restlichen Eier.
Meine Füße fühlten sich langsam wie Eisklumpen an.

Gestern Abend hinderte mich mein Enkelkind daran, im Garten
Eier zu verstecken.
Lisa lief immer wieder von einem Fenster zum anderen.
Neugierig, wie Kinder nun mal sind, wollte sie den Osterhasen beim
Eierlegen erwischen.

Suchend, „wo kann ich noch ein paar Eier hinlegen“,
ging ich über den Rasen.
Mein Pech.
Unachtsamkeit wird bestraft.
Eines dieser Buddel Löcher meines Hundes,
weit verstreut auf dem Rasen von ihm angelegt,
wurde zu mir zum Verhängnis…
Verflixt und das nach dem gestrigen Wolkenbruch.
Fluchend zog ich den moderigen Fuß wieder aus dem Loch der schwarzen, fruchtbaren Erde.
Flüchtig spülte ich ihn im Teich neben der Terrasse ab,
wärmer wurde er dadurch auch nicht.
Aber mit so einem verdreckten Fuß konnte ich unmöglich ins Haus zurück.

Dabei bemerkte ich meinen Nachbarn,
der auch in Sachen „Osterhase“ durch den Garten hüpfte.
Genau so hüpfte ich ins Bad, um den restlichen Gartenboden abzuschrubben.
Nur widerstrebend ließ er sich entfernen.
Mit jetzt heißen Füßen kuschelte ich mich ins Bett.
Es kam mir vor als wäre ich gerade eingeschlafen, als Lisa mich weckte.

„Nein Lisa Schatz,“ murmle ich verschlafen,
„leg den Bademantel zu Seite, ich werde lieber den Jogginganzug
und Turnschuhe anziehen. Zieh dir bitte auch Schuhe an,
dann gehen wir in den Garten.“
Ein sehnsüchtiger Blick streift meine Kaffeemaschine,
als wir an der Küche vorbeikommen.
Ich tappe hinter Lisa her, die aufgeregt von einem Bein aufs andere hüpft,
auch ihre dunklen Locken machen dieses Spiel mit.

Dann geht es mit einem Jauchzen in den großen Garten.
Ein Ei nach dem anderen landet in ihrem Ostereier Korb.

„Na, auch schon wieder auf?“
Klaus, mein Nachbar steht auf der anderen Seite des Gartenzauns
und grinst verschwörerisch.
„Was hast du denn heute Morgen so geschimpft?“

Ich erzähle ihm die Geschichte vom Buddel Loch.
Ein schadenfrohes Lachen ist die Antwort.
Welches meinerseits mit einem Knurren beantwortet wird..

„Du scheinst ja noch recht sportlich zu sein, so wie du im
Garten herum hüpftest, wolltest wohl den Osterhasen imitieren,“
lobe ich ihn, mit einer Priese Spott.

Er stöhnt auf, „bin heute früh noch halb im Schlaf auf einen
dieser kleinen Panzer getreten,
den Johannes liegen ließ.“
Er hebt sein Bein und ich sehe mit einem Blick über den Gartenzaun
seinen dick verbundenen Fuß.

„Ach du ärmster,“ mein Grinsen spricht aber eine andere Sprache.
„Männer mit ihren Weh wehchen,
man kann’s auch übertreiben.“
Immer noch mit diesem schadenfrohen Ausdruck gehe ich ins Haus zurück.
„Bitte lächeln“, schallt es mir entgegen.

Wieder eines dieser Attentate meiner Söhne.
Ich hole tief Luft um los zu wettern,
denn ich bin weder gewaschen, noch gekämmt,
deshalb nicht gerade Foto tauglich.
Bleibe dann aber überrascht stehen.

„Frohe Ostern Mutti,“ schallt es mir entgegen.

Wortlos stehe ich vor einem großen Nest, angehäuft mit meinen
geliebten Nougat und Eierlikör Eiern, angefertigt in einer kleinen
Konditorei.

Da ich Lisa hinter mir höre, rufe ich erfreut,
„oooch, wie lieb vom Osterhasen, da ist er doch wirklich ins Haus geschlüpft.
Danke lieber Osterhase!“

Hinter mir ruft Lisa kichernd, „Omi es gibt doch gar keinen Osterhasen.“

„Das kann doch nicht war sein,“ mit einem Ruck drehe mich zu ihr um,
meine Hände finden halt in den Hüften.
„Ach ja, es gibt keinen Osterhasen?“
Mein gespielt strafender Blick bohrt sich in ihre wunderschönen,
dunkelblau strahlenden Augen.
„Und weshalb musste ich dann morgens um sechs Uhr durch den Garten jagen
um diese süßen Dinger zu verstecken?“
„Oh!“

Da sieht dieses kleine, von mir heiß geliebte Biest,
mit zur Seite gelegtem Kopf zu mir hoch.
Ein bezauberndes Lächeln,
mit einem Hauch Mütterlichkeit und Nachsicht,
umspielt ihre Schokoladen umrandete Zucker Schnute.

„Ach Omilein,“ sie blinzelt verschwörerisch, so wie ich es ihr einst beibrachte.
„Ich wollte dir doch deinen Spaß nicht verderben.“

„Hach!!!!!!!!“

Paulinchen

„Was willst du denn jetzt wieder von mir,“
knurrt Hans, während sein Blick verstohlen über Paulines Figur huscht.
“Er schüttelt sich innerlich, beim Anblick seiner dicken siebzig Kilo
schweren Frau.
Zart und dünn, so muss seine Idealfrau aussehen.

Als er Pauline kennenlernte, „wie alt war sie damals? Siebzehn?
Ja da war sie sein kleines Elfchen.
Obwohl,
ihre Haut ist noch ganz passabel für eine Fünfzigjährige,“
das muss er zugeben,
„sie kann es mit vielen Dreißigjährigen aufnehmen.“

In Paulines Plan ist keine Konfrontation mit Hans vorgesehen.
„Lass ihn knurren“ sagt sie sich, „nichts soll mich von meinem Vorhaben abbringen,
also lächle.“

„Ähem, ich suche die Theaterkarten, Hans hast du sie gesehen?
„Ich dachte sie währen im Sekretär, aber dort finde ich sie nicht.“

Er schüttelt jetzt gönnerhaft lächelnd den Kopf.
„Paulinchen Paulinchen, du wirst langsam vergesslich,
wirf mal lieber einen Blick in deine Handtasche,
da steckst du doch alles Mögliche hinein.“

Dieser überhebliche Tonfall, der in seinen Worten mitschwingt,
sie hasst es, oh, wie sie es hasst.
„Durchatmen und bis Zehn zählen, du willst etwas von ihm,
also reiß dich zusammen“ denkt sie.
Ein Sonnenstrahl huscht über das Violett der großen teuren Vase
die auf dem Kamin für alle sichtbar platziert wurde.
Hans sein Werk.
Er protzte gern vor anderen und merkte nicht
wie geschmacklos seine, „Geldanlagen“ waren.
Sie wurden nur gekauft, um vor den Freunden glänzend dazustehen.
Oh wie gern würde sie diese Vase nehmen, anvisieren und werfen.

Sie seufzt leise und zwingt sich erneut zu einem Lächeln
„Wie wäre es, wenn du mal spaßeshalber in deiner Lederjacke herum kramst?“
Ganz schemenhaft habe ich ein Bild vor Augen.
Ich sehe, dass dir die Karten überreicht wurden, mein Lieber,
nachdem du an der Dame vom Vorverkauf
dein ganzes Arsenal an heißen Blicken verschossen hast,
man kann es auch „anbaggern“ nennen.
Du weißt doch, in diesem Reisebüro.“
Bei den letzten Worte zieht sie ihre rechte Augenbraue hoch.
Obwohl ihr seine verstohlenen Liebschaften lange lange egal sind
setzt sie diese Mimik immer noch ein.
Ihr entgeht nicht sein jämmerliches Grinsen.
„Hach, ins Schwarze getroffen“ freut sie sich
denn es war ihrerseits nur eine Vermutung mit der Flirterei.
Ihre Aufmerksamkeit während des Karten Kaufs,
galt jemandem ganz anderen.

Dieser „Jemand“ stand an einem Regal mit Reiseprospekten gelehnt
und musterte Hans amüsiert.
Ein Prospekt hielt er und blätterte wahllos darin herum.
Es schien, als warte er, um eine Reise zu buchen.
Ihre Fingerzeichen registrierte er mit einem Hüsteln.
Eine Seite des Prospekts lag später so aufgeschlagen in seiner Hand,
dass sie beim Hinausgehen einen Blick darauf werfen konnte.
Ein Segelboot auf einem himmelblauen See.

Hans ignorierte den Mann, noch ganz beseelt von dem Flirt und tänzelte
vor Pauline aus dem Reisebüro.

Natürlich knallte die Tür vor ihrer Nase zu.
„Ich hasse ihn, ich hasse ihn!“
Diese Gleichgültigkeit ihr gegenüber verletzte sie zwar schon lange nicht mehr,
aber trotzdem……

War ihr früher nie das fehlen einer guten Kinderstube an ihm aufgefallen?

Ein zärtliches leichtes Lächeln stellt sich jetzt ein.
Es war schön so dicht an dem Mann im Reisebüro vorbei zu gehen.
Ihre Körper berührten sich leicht.

„Jetzt beherrsche dich,“ ruft sie sich zur Ordnung.

Hans, der ihren Blick missdeutet, geht knurrend zur Flurgarderobe.
Er weiß, dass sie den Griff in seine Jackentaschen meidet.

„Er hat es sich selbst verscherzt,“ überlegt sie schadenfroh.
Am Anfang der Ehe wurde sie von ihm empört angeschrien,
als sie die Taschen einer seiner Jacken entleeren wollte,
um diese in die Reinigung zu bringen.
Dabei angelte sie Kondome aus einer der Taschen heraus.
Diese kamen in ihrem Liebesleben nicht zum Einsatz,
also? …

Damals floss der erste Gifttropfen in ihre bis dahin glückliche Ehe
und ging nicht mehr heraus.

Hans kommt jetzt wedelnd mit einem Brief in die Stube zurück.
„Paulinchen hast du den Brief auf das Schränkchen im Flur gelegt?“

„So wie du es immer haben möchtest, mein Lieber,“ flötet sie.
Kurz sieht er sie an um sich dann die Brille aufzusetzen.
„Von wem mag der wohl sein?“

„Also Hans, du weißt ganz genau, ohne Brille kann ich nicht lesen,
oder glaubst du, ich gehe mit Brille zum Briefkasten?“

Er murmelt etwas und reißt den Brief auf.
Dieses Aufreißen hasst sie wie die Pest.
Sie öffnet ihre Korrespondenz fein säuberlich mit dem Brieföffner.
„Wozu sonst hatte er dieses Ding eigentlich angeschafft?
Etwa zum Brot schmieren?“

Nach den ersten Worten des Lesens sieht er sie strahlend an.
„Die Einladung kommt von einem Studienkollegen.
Du kennst ihn nicht, war vor deiner Zeit.
Warte mal“ er sieht sinnend zur Decke.
„Vor 20 Jahren sahen wir uns zum letzten Mal.“
Sein Blick wirkt abwesend. „Wie er jetzt wohl aussieht?“

Einen Moment regt sich ihr Gewissen.
Wie wird Hans reagieren, wenn,,,
Dann bemerkt sie, dass dieser ganz woanders mit seinen Gedanken ist.
Er steht vor der Glastür und versucht seinen Bauch einzuziehen.

„Tja mein Lieber, da musst du lange die Luft anhalten.“
Pauline dreht sich um und grinst.
Hans ist so begeistert, dass er nicht auf ihre Worte achtet.

„Wohin soll denn die Reise gehen?“ Sie muss sich Anstrengen damit
ihr Interesse echt klingt .
Er soll nicht merken, wie egal es ihr im Grunde genommen ist.

Hans sieht in den Umschlag und zieht ein Flugticket hervor.
Sein Lachen überschlägt sich, „Teneriffa und dass für zwei Wochen.“
Er strahlt sie an, „man muss der reich sein,
wenn er sich so etwas leisten kann.“

„Da musst du zwei Wochen ohne dein Männelein leben.“
Hans kommt gönnerhaft auf sie zu und nimmt sie im Überschwang
seiner Freude in den Arm.

Sie hält die Luft an, um ihn nicht zu riechen,
macht aber gute Mine zu diesem Spiel.
„Heute Abend gehen wir aber zuerst einmal ins Theater Paulinchen.
Mach dich schick,
denn ich führe dich vorher zum Essen aus.

Später dann, in der Pause des Theaterstückes geht sie zur Toilette
und wird kurz vorm Erreichen der Tür in einen Nebenraum gezogen.
Kaum im Raum wird sie stürmisch geküsst und herum gewirbelt.
„Na hat er es geschluckt?“
„Ach mein Geliebter, er sagt er hat dich zwanzig Jahre nicht gesehen.“
Und noch etwas möchte ich dir verraten.“
Sie jauchzt leise auf. „Ich freue mich auf die Schiffstour mit dir.“

Ende

Viktoria Isegrim

 

Unsere erste Begegnung mit Viktoria war, vorsichtig formuliert, etwas surreal .

Jeden Morgen gingen mein Hund und gezwungener Maßen auch ich unsere Gassi Runde. Für ihn gehörte es zum Tagesauftakt. Unterwegs verrichtete er seine Morgentoilette und schnüffelte an, von anderen Hunden hinterlassenen Gerüchen, „Die Hundezeitung lesen“, so bezeichnete ich es.

Dieses Prozedere, bei jedem dritten Schritt anhaltend, ertrug ich mit stoischer-ruhe. Es gab mir die Gelegenheit jetzt richtig wach zu werden, da mein Hund morgens nur ein schnelles Aufstehen, anziehen und eine hastige Katzenwäsche meinerseits duldete. Obwohl, auch dieses wurde von seinem ungeduldigen Fiepen begleitet. Dann gab es da noch diesen zweiten, viel wichtigeren Aspekt.

In dieser Morgendliche Ruhe, im Einklang der Natur, fern jeder Hektik, da konnte ich noch etwas den Traum meiner Nacht weiter träumen. Also zusätzlich eine Stunde Tagträumen, dann durfte die Realität ihre Hände nach mir ausstrecken.

Während dieser Zeit wurden ganz nebenbei alle müden Muskeln aufgelockert. (Das waren diese bequemen Dinger, die in meinem Alter lieber im Bett geblieben wären.) An jenem Morgen wurde unser erster Schritt ins eiskalte Winterwetter mit einem atemberaubend weiß glitzernden Anblick begleitet.

„Schnee, überall Schnee“.

Durch einzelne Sonnenstrahlen, die unter dunkelgrau violetten Wolken hervor blitzten, war die Landschaft mit einer funkelnden weißen Schicht überzogen..

Oh je, diese Wolken zeigten weitere Schneefälle an.

Unsere Wegstrecke, die mit ein paar klitzekleinen Ausnahmen im Laufe der Zeit gleich geblieben war, begann immer mit dem Anleinen meines Hundes, da auf der mit Radfahrern befahrenen Straße immer wieder ein paar ängstliche von ihrem Fahrrad stiegen, sobald sie meinen Hund freilaufend antrafen.

Na ja einige von denen hatte er in seiner Pubertät gejagt, wenn auch nur wenige Schritte. Ich behaupte mal, diesen zwei Meter Radius den er, weshalb auch immer, um mich herum zog, durften Fremde nicht überschreiten. Wenn dann doch einmal jemand mutig genug war, etwas näher zu kommen, als von ihm geduldet, bellte mein Labrador in seinem dunklen Timbre.

„Erschreckend,“ war oft der Kommentar. Meine Antwort?

„Es wäre doch sonderbar, ihn, den Labrador, mit einem Dackelgebell zu hören“. Somit schloss ich selten Bekanntschaften auf der Straße. Weshalb auch? Endlich hatten wir es geschafft. Unser dahinschleichen, zu dem vor uns liegenden Weg, durch Wiesen und Felder im „Stop and Go“ Rhythmus war beendet. Jetzt ließ ich ihn von der Leine. Hier durfte er hin und her springen, während ich, mit jetzt aufgewachten Muskeln schneller ging. Aber wenn ich von seinem Springen rede muss ich mich berichtigen, denn er wurde in letzter Zeit des Springens mehr als überdrüssig.

Ist auch kein Wunder da er 77 Hundejahre zählte. Als Vergleich dazu, welcher Mann mit 77 springt noch großartig herum. Bis auf eine Ausnahme, wie es sie bei jedem Lebewesen gibt, (beim 77jährigen Mann sind es wahrscheinlich junge Frauen) und bei meinem Hund? „Die Raben.“ Egal, wo auch immer sie saßen, sei es auf einem Baum oder hoch oben auf der Elektrizitätsleitung. Mein Hund ortete sie sofort, rannte dann springend und bellend auf sie zu und raste dann hinter ihnen her. Blind dafür, dass sie hoch über ihm spöttisch krächzend davon flogen. Meine Warnung „Rufus du bist kein Vogel und wirst nie fliegen“, stieß bei ihm auf taube Ohren.

Die einzigen Teile seines Körpers, die während des Springens bei ihm flogen waren seine Schlappohren.  Dann, als er wie immer ohne einen Raben in der Schnauze, hechelnd zu mir zurück kam und mich mit schuldbewusstem Blick ansah, weil er genau wusste, dass ich seine Eskapaden nicht billige, wurde er angeleint. Strafe musste sein! Sein „Aus“, für den Rest des Weges frei herum zu laufen. Mein Anleinen war an jenem  Tag eine weise Entscheidung, denn nach der nächsten scharfen Kurve sah ich sie. Einige Meter vor uns ging sie.

Nein, „gehen“ war nicht die richtige Definition. Durch die zarte Wärme der Sonnenstrahlen lag ein leichter Nebelschleier auf dem eisigen Schnee. Deswegen war der untere Teil ihres Körpers nur schemenhaft zu erkennen, so als schwebte oder glitt sie vor uns über den Boden. Ja, als schweben konnte man ihre Fortbewegung bezeichnen.

Ich sah gleich, dass sie uns bemerkt hatte, denn sie blieb einen Augenblick stehen, drehte ihren Kopf in unsere Richtung und sah uns an. Kurz blitzte es in ihren Bernsteinfarbenen Augen auf. Danach, ohne uns eines weiteren Blickes zu würdigen setzte sie ihren Weg zum riesigen Naturreitplatz fort. Ein paar Sonnenstrahlen ließen ihr Haar weiß schimmern. Einen Moment stand ich wie erstarrt, denn diese wunderschönen Augen übten eine große Faszination auf mich aus. Das tiefe grollen meines Hundes löste mich aus meiner Erstarrung. Ich sprach beruhigend auf ihn ein.

Als ich wieder nach vorne sah, war sie verschwunden. War alles ein Traum? Nein, ihre Spur im Schnee und das Ziehen meines Hundes an der Leine zeigten, dass ich nicht träumte. Ein starker Schneefall setzte jetzt ein und wir kämpften uns, mit gesenktem Kopf und nicht mehr auf alles andere achtend, nach Hause und ins warme.

Trotzdem, jeden Morgen vor dieser Kurve leinte ich meinen Hund an, in der Hoffnung sie wieder zu sehen. „Diese Augen ließen mich nicht los.“ Ein paar Mal sah ich sie, aber nie wieder war sie uns so nahe wie am ersten Tag. Manchmal blitzte auch nur ihr weißes Haar zwischen den Büschen hindurch. Sie war in unserer Nähe. Ob ich Viktoria, (so nannte ich sie, weil mir der Name just in dem Augenblick in den Sinn kam), je wieder in die Augen sehen durfte?

Der Frühling kam und mein Hund verletzte sich bei einem Versuch den Krähen hinterher zuspringen an der Pfote. Unsere Morgendliche Tour wurde dadurch eingeschränkt und noch langsamer. Anschließend ging ich täglich die lange Strecke allein, in der Hoffnung Viktoria zu sehen. Auf einem etwa fünf Meter hohen, großen Erdhügel, es könnten auch sechs oder sieben Meter sein, (Dinge einzuschätzen gehörte nicht zu meinen Stärken), setzte ich mich und ließ meinen Blick in die Runde schweifen. Früher rannte mein Hund immer diesen Berg hinauf und sah mich oft auffordernd an. „Nun komm schon!“ Von mir kam dann immer der gleiche Worttext, „will nicht, bin doch kein Bergsteiger.“ Ich musste rückblickend, unwillkürlich schmunzeln, denn mein Hund sah mich danach kurz an , schnaufte und trabte alleine hoch..

Ja, der Ausblick von hier oben hatte schon etwas. Weit konnte man sehen bei diesem flachen Land. „Ja Rufus, ab jetzt werde ich den Berg mit dir hinaufgehen,“ versprach ich mir. Meiner Figur käme es auch zu Gute, da bald die Badeanzug Zeit anfängt. Am zweiten Tag, ich saß wieder auf dem Berg, kam sie zu mir hoch. Zwar vorsichtig, aber sie kam. Ein paar Meter von mir entfernt setzte sie sich ins Gras. „Hallo Viktoria“, flüsterte ich vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken. Sie sah mich nur mit diesen wunderschönen Augen an, ohne einen Ton von sich zu geben. Nach einiger Zeit unseres Schweigens ging sie, so still wie sie gekommen war. Jeden Morgen wenn ich oben auf dem Berg saß, wiederholte sich dieses. Sie kam und verschwand nach einiger Zeit wieder.

In dieser Zeit erzählte ich ihr aus meinem Leben. Auch weshalb ich alleine hier oben sitze. Ihr Schweigen animierte mich dazu. Dann, eines Tages wartete ich vergebens, hatte ich sie verschreckt? Meinem Hund ging es wieder besser und ich stieg nun mit ihm auf den Berg. Ein paar Sonnenstrahlen huschten über den Reitplatz, während ich den Anblick  auf mich einwirken ließ. Mein Blick blieb an etwas Weißem hängen, dass durch die Büsche blitzte. „Viktoria?“ Traute sie sich nicht zu uns zu kommen? Ich wartete einige Zeit, aber das Weiße bewegte sich nicht. Neugierig geworden, ging ich, meinen Hund kurz angeleint, auf das Weiße zu.

Ach nein, da lag sie, meine Viktoria.                                                                                                                                                  „Tot.“                                                                                                                                                        Nie wieder würden mich ihre Bernsteinfarbenen Augen ansehen. Obwohl ich sie nicht lange kannte, liefen mir Tränen übers Gesicht.

  Ein paar Tage später las ich in der Zeitung. „Tote Wölfin in der Nähe von Tellingstedt gefunden.“

  Meine arme Viktoria Isegrim, nur ich hatte der Wölfin einen Namen gegeben.

E.H.

Eiskalte Wasserspritzer

Eiskalte Wasserspritzer

„Johannes, hast du die Ölrechnung bezahlt?“

Mein Sohn kommt lächelnd und lässig zwei Stufen nehmend,

langsam die breitgeschwungene Marmortreppe auf seinen

langen Beinen herunter.

„Angst dass du zu Weihnachten frierst?“

„Hach, du Scherz Keks, wenn jemand friert, dann seid ihr es.

Ich denke mal,

meine Holz und Kohlevorräte aus der Garage

halten lange vor..

War doch eine gute Idee der Kauf unseres Kaminofens.

So sparen wir Heizöl.

Wenn dann,

sagen wir mal irgendwann im Dezember,

so wurde mir von Justus hoch und heilig versprochen,

die Restlichen, nicht ganz so dicken Äste mit der elektrischen Säge

durchgesägt werden,

kann ich entspannt den Frühling entgegensehen.

Bin gespannt, ob Justus im Dezember noch an sein Versprechen denkt.

Und Anfang des Jahres werden wieder zwei Bäume gefällt.

Wir müssen unseren Baumbestand auslichten.

Ich hoffe, dass dieser Winter warm für uns bleibt..

Und wenn es gar zu eisig wird, öffne ich eben die Stubentür,

dann huscht ein warmer Hauch zu euch nach oben,

sollte einmal die Heizung ausfallen.“

„Ha,ah, ja Mama oder du stehst unten an der Treppe und wedelst

die Wärme zu uns hoch.“

„Nun wollen wir mal nicht übertreiben mein Sohn,

das artet sonst in Arbeit aus.

Aber sieh mal, wo du schon unten bist, da ist jemand an der

Haustür, gehst du sie bitte öffnen?“

Ich verschwinde derweil ins Bügelzimmer, denn ich bin mir

sicher, so früh am Morgen kommt niemand, um mich zu besuchen.

Nach einer Weile höre ich ein lautes „Waaas?“

Kurz darauf kommt Johannes zu mir ins Zimmer. Etwas blässlich um die

Nase ist er geworden.

„Morgen wird der Strom abgeschaltet, der Gerichtsvollzieher war an

der Tür,

er sagte etwas von einem Brief, den er an uns schickte.

Hast du einen gesehen?“

„Nein,“ meine Stimme ist nur ein entsetztes Flüstern.

Wenn ich nicht gesessen hätte, wäre das in diesem Moment geschehen.

Jetzt ist das eingetroffen, womit ich schon lange rechnete.

Die hohe Nachzahlung und dann hundert Euro mehr Stromkosten

im Monat brachen uns das Genick.

Johannes stellte zwar vor ein paar Monaten einen Kreditantrag.

Unser Pech ist, dass er seinen Schufa Eintrag letztes Jahr nicht löschen ließ.

„Ab diesem Zeitpunkt hat eine Frage die höchste Priorität.

Wo bekommen wir so viel Geld her?“

Jeden Abend, wenn ich allein in meinem Bett liege,

denke ich über diese Schulden nach.

„Wie kann ich helfen?

Denn auch ich bin von diesem blöden Strom abhängig.

„Wo bekommen wir soviel Geld her.“

An vielen Abenden zögere ich es hinaus,

mich in mein schönes kuscheliges Bett zu legen..

Denn kaum liege ich in der Dunkelheit,

hämmern wieder und immer wieder diese Geldprobleme auf mich ein.

Wie viele schlaflose Nächte ich so verbrachte? Ich weiß es nicht.

Bis—-

eines Nachts wache ich auf und die Lösung ist einfach da.

Mann oh Mann, wie so bin ich nicht schon früher darauf gekommen,

Meine Wiese,

ich verkaufe meine Wiese!“

Ein Stein fällt mir vom Herzen, hach, das war‘s.

Vielleicht zahlt mir dann der Käufer einen guten Preis

und es bleibt, wenn ich Glück habe noch etwas übrig.

Die Hektar Preise sind in den letzten Jahren gestiegen.

Vielleicht liegt es daran,

dass immer mehr Mais angebaut wird.

Viele Wiesen werden zu Ackerland umgepflügt.

Nach einigem Überlegen komme ich zu dem Schluss

mich beim Bauernverband über die aktuellen Hektar Preise zu erkundigen.

Mit dieser Idee schlafe ich selig ein.

Justus, der sich gerade noch so einigermaßen mit seinem

Vater versteht, bekommt die Aufgabe zugeteilt mein Vorhaben

zu übermitteln.

Bei mir ist die Kommunikation mit meinem Ex seit der Scheidung bis auf

„Guten Tag“, zusammengeschrumpft.

Weshalb? Das ist eine lange Geschichte, die gehört nicht hierher,

darüber schreibe ich einen Roman, das habe ich mir fest vorgenommen.

Aber, ich habe mich zu früh gefreut, wie kann es auch anders sein.

Justus kommt nach dem Besuch seines Vaters,

mit enttäuschter Mine nach Hause.

„Papa sagt, dass du das Geld nur verplempern willst,“

er holt tief Luft und stößt dann hervor, „Papa ist gegen den Verkauf.“

Ich schreie auf: „Ich fasse es nicht. Das hat er gesagt?“

Meine Empörung ist riesig,

meine Vorfreude fällt in sich zusammen.

Wieder einmal hat sich meine Meinung über meinen Ex bestätigt.

Gut, dass ich nicht zu ihm ging, ich wäre bei seinen Worten explodiert.

„Wer hat denn in der Vergangenheit alles Geld verplempert?

Hach, dass ich nicht lache!“

Wer hat denn dieses große Haus gebaut, in dem wir jetzt sitzen.

Fakt ist, bei allem Klagen, seine Unterschrift brauche ich, sonst läuft nichts.

Ich ärgere mich noch heute, wenn ich an meine Dummheit zurückdenke.

Damals beim Hausbau war ich wirklich so blöd nicht nur das Haus,

sondern auch mein Land zur Hälfte auf seinen Namen mit zu überschreiben.

Damals riet uns der Bankangestellte dazu. „Ist alles ein Abwasch.“

Und jetzt haben wir den Salat.

Christian, mein Ältester, der uns manchmal mit Geld aushalf,

ihm gehört jetzt auch zur Hälfte das Haus, in dem wir leben,

kann so eine große Summe nicht aufbringen, wie er uns wissen lässt.

Na ja, er wohnt weit weg.

Rückblickend verstehe ich eines nicht.

Die Stromsache lief schon ein paar Monate, genauer gesagt ein halbes Jahr,

wenn man die Zeit mitrechnet, in der ich dachte,

der Betrag an die Stromgesellschaft wird jeden Monat vom Konto abgezogen.

Weshalb ich es nur dachte?

Ich besitze keine Vollmacht über dieses Konto sondern nur Christian.

Etwas anderes bewegt mich viel mehr.

Wie kann man im Dezember den Strom abschalten?

Im Herbst, Sommer oder Frühjahr, o.k.

Aber zu Weihnachten? Sehr unchristlich.

Sind bei dem Stromanbieter nur Maschinen am Werk?

Es ist unausweichlich,

einen Tag später kommt der junge Mann vom Stromkonzern,

in Begleitung des Gerichtsvollziehers.

Es muss ja alles seine Ordnung haben.

Mir fällt auf, dass die ganze Sache dem Gerichtsvollzieher unangenehm ist.

Mir zugewandt sagt er„Es tut mir leid, aber wenn sie einen Teil des Betrages

anbezahlen, können wir mit dem Stromanbieter reden.“

Ich zucke mit den Schultern,

„Obwohl ich in Gedanken damit gerechnet habe,

kommt es jetzt doch plötzlich.

Erst gestern waren sie hier um uns zu unterrichten,

aber heute ist der Brief von ihnen angekommen, in dem steht,

dass der Strom abgeschaltet wird.

Sehen sie? Datiert vom Siebzehnten und

heute haben wir schon den Neunundzwanzigsten.

Dies ist der Brief, von dem sie dachten wir haben ihn bereits.

Bei allem guten Willen, aber so schnell können wir auch einen kleinen

Teil des Betrages nicht zusammenkratzen, wie sie wissen,

es ist Ende des Monats.

Meine Söhne versuchen mit einigen Überredungsversuchen,

wie zum Beispiel, „am Anfang des Monats haben wir ein Drittel des

Betrages zusammen.“

Nichts zu machen, der junge Mann vom Stromanbieter bleibt hart.

Alle Hochachtung, denke ich mit Ironie,

ja ja, Firma des Stromes du kannst stolz auf deine Mitarbeiter sein!

Im Grunde genommen empfinde ich nur Mitleid für diesen Mann,

wenn ich bedenke, wie oft er so eine Leitung kappen muss.

In dieser kalten Jahreszeit und im Dezember.

Konnte so ein Mensch eigentlich noch ruhig schlafen,

wenn er in all die traurigen Gesichter sieht?

Welche Schicksale hängen davon ab.

Was muten diese Konzerne ihren Mitarbeitern zu?

Im Sommer ist es nicht so schlimm, aber zu Weihnachten?

Eines muss ich ihn dann doch noch fragen,

„weshalb wurden die laufenden Stromkosten nicht vom Konto eingezogen?“

Darauf seine kurze Antwort, „wenn kein Geld auf dem Konto ist

werden nur noch Rechnungen geschickt.“

„Ja, ja Rechnungen von ein paar Monaten, ich weiß.

Aber ich bitte sie, auf welchem Konto eines Normalbürgers

ist kontinuierlich jeden Monat am 28.ten noch Geld?

Meistens wird das Minus, immer am Monatsanfang wieder ausgeglichen.“

Ich frage mich nur.

„Woher weiß so ein Konzern, dass beim Bankeinzug kein Geld

auf unserem Hauskonto ist?

Auch denke ich darüber nach, wer für diesen hirnrissigen Einfall

zuständig ist, so kurz vorm Ersten die Strom Beträge einzuziehen??

Jeder weiß, dass unter anderem jeder Rentner am Ersten Geld bekommt.

Wenn ich überlege, wie viele Rentner es gibt und wie

viele in den nächsten Jahren dazu kommen.

„Na, gute Nacht Deutschland.“

Jetzt also gehören wir zu den Stromlosen.

Noch am selben Nachmittag suche ich alle Kerzen zusammen.

Gut, dass ich gestern noch unsere Dreckwäsche durch die Maschine jagte.

Wer jetzt denkt ich hätte einen Kredit aufnehmen können,

der ist im Irrtum,

hab ich alles hinter mir.

Da meine Scheidung am Ende meiner Blüte vollzogen wurde,

bekomme ich keinen Job mehr

und der Unterhalt bis zum Rentenalter ist zu geringfügig für die Bank.

Weshalb eigentlich? Miete brauche ich nicht zahlen,

habe ein Wohnrecht im ehemals eigenen Haus,

trotzdem wird dieses nicht akzeptiert.

Mein Argument, ich könnte auch mit dreihundert Euro monatlich

auskommen wurde abgewürgt..

Wenn ich dann an die Werbung im Fernsehen denke,

wie heißt es so schön?

„Wir machen den Weg frei.“

Tja meine liebe Bank, dieses trifft nur dann zu

wenn man ein paar Tausender auf dem Konto sein eigen nennt,

aber auch nur dann.

Alles nur Hohn, dem kleinen Mann gegenüber.

Gott sei Dank haben sich im Laufe der Zeit viele Kerzen in meinem

Schrank angesammelt.

Alle kommen jetzt zum Einsatz.

Ob halb abgebrannte oder auch die drei, die nur noch ein Viertel ihrer

Größe besitzen.

Eine große Kerze stelle ich in den Flur, neben kleineren die auf meinem

Adventstisch stehen.

Ins Gäste WC stelle eine etwas kleinere hin,

man weiß ja nie.

Die Gäste, wenn denn welche kommen, sollen nicht im dunklen Raum

umhertappen, um sich vielleicht noch neben die Klobrille zu setzen.

In meinem Wohnzimmer standen sowieso immer Kerzen,

die platziere ich so auf den Tisch, dass ich lesen kann.

Was bleibt mir sonst noch übrig?

Bilden, was das Zeug hält.

Den Rest bekommen meine zwei Söhne, morgen können wir ja

neue Kerzen kaufen.

Meinen Bücherschrank forste ich nach ungelesenen Schätzen durch

und werde pfündig.

Ein paar Bücher, die ich gerne noch einmal lesen möchte,

wurden im laufe der Zeit zusammengestellt,

jetzt habe ich die Möglichkeit dazu.

Das Wasser, für was auch immer ich es benutzen möchte,

wird auf meinem Kaminofen im Wohnzimmer erhitzt,

somit habe ich zweimal am Tag warmes Wasser.

Wenn man bedenkt, wie oft man sich am Tag die Hände wäscht

ist es minimal.

Dazu kommt, draußen regiert der Matsch.

Fazit, der Fußboden muss mehr gereinigt werden,

da mein großer Labrador zweimal am Tag seine Tour mit mir geht.

Trotz seiner Größe bekommt der Bauch Dreckspritzer ab.

Im Hause angekommen schmeißt er sich auf den Boden und eine

Dreck Pfütze bleibt zurück.

Ich könnte ihm mit kaltem Wasser den Bauch reinigen,

aber so brutal bin ich nicht.

Sein vorwurfsvoller Blick, wenn ich ihn dann aufscheuche, spricht Bände.

„Mäussi ich hasse Dreck!“ Er zieht davon, aber sein Blick lässt

alle Schuldgefühle in mir hoch kommen, die sich irgendwo versteckten.

Unsere letzte gekochte Mahlzeit ist ein Chili mit vielen gehackten Zwiebeln.

Gut, dass ich in der letzten Woche vier Weihnachtsstollen backte,

so ist noch etwas Adventsflair für die Sinne parat.

Am nächsten Morgen drehe ich mich im Bett um, es ist noch zu dunkel

zum Gassi gehen.

Mein Griff zum Lichtschalter der Nachttischlampe

bleibt in der Luft hängen, „kein Strom.“

Mein Hund fiept und fiept. Knurrend quäle ich mich aus dem Bett.

Kalt ist es, wie auch meine Morgentoilette.

Eiskaltes Wasser spritze ich in mein Gesicht,

wow jetzt erwachen die Lebensgeister in mir.

Im Wohnzimmer hantiert Peter mein Sohn Nummer drei am Kaminofen.

„Das Kaffeewasser ist heiß, wenn du wiederkommst.“

„Na wunderbar,“

ein wehmütiger Blick bleibt auf meiner Kaffeemaschine hängen,

in der vom Kaffeebohnenmahlen bis zum Aufbrühen alles automatisch

funktioniert. „Natürlich nur mit Strom.“

Jetzt Gassi gehen, „so ein Mistwetter,“ aber mein Hund ist glücklich.

Wenigstens „einer“ brummel ich.

Eine Hoffnung, dass dieses Stromdesaster schnell zu beheben ist

geisterte in meinem Kopf herum.

„Christian,

er verdient genug Geld,

er kann doch nicht zulassen dass seine Mutter Weihnachten

ohne Strom verbringt.

Wie oft hatte ich ihm während seines Studiums Geld gegeben,

obwohl ich damals knausern musste.

Ich hatte nie gejammert, sondern jedes Mal von mir aus gefragt,

„brauchst du Geld?“

Von anderen Sachen ganz zu schweigen, die gehören auch nicht hier her,

weil es in meinen Augen selbstverständlich ist,

wenn eine Mutter für ihre Kinder in allen Notlagen präsent ist.

Diese Hoffnung lässt mich alles als Abenteuer sehen.

Wieder zu Hause nach dem Gassi gehen zieht ein Kaffeeduft

mich unwiderstehlich ins Wohnzimmer.

„Hab noch löslichen Kaffee im Küchenschrank gefunden.“

Seufzend nehme ich die Tasse, „danke Peter, den kann ich jetzt gebrauchen.“

„Ich kaufe einen Stromgenerator,“ mit diesen Worten überrascht mich

Johannes am Nachmittag, er sitzt bei mir in der kuschelig warmen Stube..

Peter und Justus sind in ihren kalten Zimmern verschwunden.

Alle Achtung, aber es ist verständlich, sie brauchen ihre Privatsphäre.

„Ach Sohn denkst du wirklich es ist nötig?“

„Ich bekomme Weihnachtsgeld und davon bezahle ich den Generator..“

Mein zweitjüngster, wie lieb,

aber es schmerzt mich, wie er tapfer auf sein Weihnachtsgeld verzichtet.

Viel lieber hätte ich ihm geraten, sich eine neue Winterjacke zu kaufen

oder andere Klamotten.

Was gaben sonst junge Männer für ihre Garderobe aus?

Manchmal zwei Drittel ihres Verdienstes.

Im Job vom Johannes sind Hemd und Krawatte die Arbeitskleidung..

Duschen, Hemden waschen und bügeln, all die Dinge, die einen gepflegten

Mann ausmachen, dieses geht bei uns nicht mehr,

deshalb hat er sich und sein Aquarium bei einem Freund einquartiert.

Meine ach so kleine Familie ist zerstört, denn auch Peter sieht

sich nach einer anderen Wohnung um.

Übers Handy vom Johannes rufe ich bei Christian an.

Mein Telefon kann ich nicht benutzen dazu brauche ich Strom.

Keiner hebt ab, nur der AB mit dem ich kommunizieren kann.

„Hallo Chris, ich denke du kannst das Haus verkaufen,

weg mit der Last.“

Dieser Satz hat doch Aussagekraft genug, oder?

An Christian und Johannes hatten mein Ex und ich,

während der Scheidung, unser Haus überschreiben lassen.

Hätte mein Anwalt darauf nicht hingewirkt,

wäre mein Ex mit einem Anteil meines Erbes,

das im Haus steckt beglückt worden.

Wo dieses dann geblieben wäre,

habe ich im Laufe der Zeit mitbekommen.

Aber dass ist Schnee von gestern.

Morgen, am ersten Dezember feiert meine Freundin Jutta

ihren Geburtstag.

Jedes Jahr ging ich zu ihr, aber jetzt,

bei dieser Misere kann ich einfach nicht,

ich fühle mich ungepflegt, schmuddelig und stinkig..

Nur zwei Mal in der Woche gönne ich mir eine Dusche.

Dazu erhitze ich zwei große Kochtöpfe Wasser auf dem Kaminofen.

Dieses wird danach auf Körpertemperatur mit kaltem Wasser

im Eimer vermischt.

Damit verschwinde ich in der eiskalten Dusche,

um es mir über den Kopf und Körper zu gießen.

„Luxus pur.“

An den restlichen Tagen brauche ich heißes Wasser zum Abwasch

und zum Aufwischen.

Die Pflege meiner langen Haare zieht sich ein bis zwei Stunden,

inklusive Trocknen hin.

Vorm Ofen, in vorgebeugter Haltung schüttele und kämme ich sie,

dadurch wird der Trockenvorgang beschleunigt.

Ja, ja, jetzt verstehe ich die Aussage,

„wenn Frauen sich pflegen, dauert es Stunden.“

Es ärgert mich, dass ich nicht einmal anrufen kann,

um Jutta zu gratulieren,

da ihre Handynummer in meinem Telefon gespeichert ist

und da komm ich nicht ran. „Strom“

Also bleibt mir nur Christa, deren Nummer im guten alten

Telefonbuch nachzuschlagen ist.

Mit dem Handy meines Sohnes rufe ich dort an.

Justus besucht seinen Vater ein, zwei Mal in der Woche und

lässt ganz nebenbei das Handy aufladen. .

Christa klage ich mein Leid. Ich kann auf ihre Verschwiegenheit bauen.

Es muss ja nicht jeder von dieser blamablen Stromlosigkeit erfahren.

Zwei Tage später klopft Jutta an die Tür.

Da die Klingel nicht geht, „Strom“

brachte Johannes das Schild „bitte Klopfen“ an die Haustür.

„Oh, bei dir sieht es ja richtig weihnachtlich aus,

überall die Kerzen im Haus.“

Verschmitzt lächelnd geht sie an mir vorbei ins Wohnzimmer.

„Und warm hast du es auch, dass beruhigt mich.

Da kann dir die Kälte draußen nichts anhaben.“

„Ach?

Konnte Christa ihren Mund nicht halten?“

„Oh nein ich musste ihr die Pistole auf die Brust setzen.

Und dann hat sie es mir in der Küche zugeflüstert.

Keine der anderen Frauen weiß es.

Jetzt ist es also geschehen.

Du erzähltest mir ja schon vor einem Monat von eurem Problem.

Gab es keinen anderen Ausweg?“

„Nein,

als ich Christian damals darauf ansprach, fragte er nur

„hast du keine Freunde, die dir das Geld leihen?“

„Worauf ich antwortete, „nein alle meine Freundinnen sind

genau so arm wie ich.“

Jutta nickt,

„und konntest du nicht mit dem Stromkonzern reden?

Vielleicht ein Drittel anzahlen und den Rest abstottern?“

„Nein Johannes rief dort vor ein Paar Tagen an,

sie lassen nicht mit sich reden.

Ich habe es schon vor ein paar Monaten versucht und habe

dem Konzern angeboten jeden Monat eine Summe zu Überweisen.

Die Absage war deutlich.“

In dem Augenblick kommt Johannes ins Zimmer.

„Mutti ich habe den Generator und stelle ihn gleich auf.“

Obwohl ich gegen den Kauf war, freue ich mich jetzt.

Ich habe gemerkt, man kann auch des Lesens überdrüssig werden.

Eine kleine Pause von allem ist nicht schlecht.

Fernsehen und in eine andere Welt abtauchen.

„Etwas Gutes gehört noch dazu,

Biathlon, jetzt verpasse ich die Wettkämpfe nicht.“

Ja, ja, ich bin ein sportlicher Typ,

Skispringen und Biathlon verpasse ich an und für sich nie..

Dafür lasse ich alle Spielfilme sausen.

Ein Paar Tage geht es gut, also von Montag bis Donnerstag arbeitet der

Generator einwandfrei, dann kommt das Aus.

Nichts geht mehr.

Also wird das verflixte Ding am Freitag zurück zum Händler gebracht.

Die Reperatur wird bestimmt eine Woche dauern, bekommen wir zu hören.

„Na dann,

ade Biathlon.“

Schweigend, mich in mein Schicksal fügend, nehme ich mein nächstes

Buch zur Hand.

Was bleibt mir anderes übrig?

Zwischenzeitlich schreibe ich an meine Tochter im Internet

auf Johannes seinem I-Pad.

Dieses Ding läuft noch..

Zum Aufladen bringt Peter es immer zu seinem Vater.

Auf ihre abschließende Frage „dann bis Weihnachten?“

Schreibe ich prompt, „Weihnachten fällt dieses Jahr aus.“

Wie sollte das auch gehen?

Kekse backen? Fällt aus.

Weihnachtsbraten? Wie denn. Von den Beilagen ganz zu schweigen.

Der Obstsalat ist das Einzige, aber dazu bin ich mir gegenüber

zu trotzig, „nein.“

Einen Tannenbaum brauchen wir auch nicht, da ich nur elektrische

Kerzen besitze.

Ich jammere ihr meinen ganzen Frust vor, bis mir die Finger schmerzen.

Über zu wenig Slips, Socken, nasse Schuhe, die nicht schnell

genug trocknen.

Fettige Haare, Körperpflege mit Eiswasser,

(langsam hasse ich dieses eisige Wasser)

Kerzen, mit denen ich in die Küche gehe.

Ich habe das Gefühl die Tage sind viel kürzer als all die Jahre davor..

Bei all diesem Gejammere, fällt mir das Wort Taschenlampe ein.

Am nächsten Tag kaufe ich ein paar.

Oben an meinem Lichtstrahler hake ich ein Stück gebogenen

dickeren Draht ein

und daran befestige ich die Taschenlampe.

Jetzt ist besseres Licht zum Lesen.

Auch das herum huschen mit Kerze und Feuerzeug hat ein Ende.

Ein Windzug, oder das Schwanzwedeln meines Hundes,

löschen das Kerzenlicht prompt aus.

Ein paar Tage später, auf mein Drängen, erkundigt sich Peter

beim Händler nach der Reparatur unseres Stromgenerators.

Er kommt mit einem Ersatz zurück. „Ich habe gesagt,

dass unsere Papageien sonst erfrieren.“

„Du Schwindler.“

Endlich können wir wieder Fernsehen.

Auch unsere Fritteuse kommt zum Einsatz. Aber nur zweimal

zum Schnitzel braten.

Während dieser Zeit ächst der Stromgenerator und stöhnt.

Es geht aber nicht anders, denn ich kann doch die Schnitzel nicht wegwerfen.

Wie soll es nur weitergehen?

Es ist aussichtslos.

Da kommt Peter auf die glorreiche Idee,

im Internet nach einem Geldanbieter ohne Schufa-Auskunft zu suchen.

Mein Einwand, „ich habe keinen Schufa-Eintrag,“ wird kurzerhand abgetan.

Na ja, uns steht das Wasser eh bis zum Hals, was haben wir schon zu verlieren.

Also spiele ich dieses Spiel mit.

Es wird gesucht und meine Söhne werden pfündig.

„Sieh mal Mutti, es steht nichts Negatives über diesen

Anbieter im Internet, in schon einer Woche bekommen wir das Geld.“

„Also gut, versuchen wir es.“

Sie geben meine Daten ein und einige Zeit später wird uns bestätigt,

dass wir Dreitausend € Kredit bekommen, können aber auch Fünftausend

aufnehmen, da kein Schufa-Eintrag vorliegt.

In den nächsten Tagen bekommen wir Post von dem Kreditunternehmen.

Natürlich Justus mein Plappermaul.

Bei einem Anruf, den er mit Christian übers

Handy führt, muss er dieses Thema ansprechen.

„Das ist doch nicht euer Ernst, da werdet ihr übern Tisch gezogen.“

Ja ja, dass waren Christians Worte.

Aber was sollen wir machen?

Ganz tief in mir hoffe ich immer noch auf ein gutes Ende.

Dass wir, meine Kinder und ich gemütlich Weihnachten feiern

und über alles lachen.

Am nächsten Morgen liegt Schnee, soweit das Auge reicht.

Wenigstens ein Lichtblick, denn jetzt brauche ich keinen Dreck

mehr aufwischen.

Was bin ich froh, dass die Wohnung damals auf mein Drängen hin

mit Laminat und Fliesen ausgelegt wurden.

Man stelle sich vor, Teppichboden in dieser Lage,

ich glaube das hätte mir den letzten Nerv geraubt.

Denn Staubsauger verbrauchen über zweitausend Watt.

Unser Generator produziert aber nur Zweitausend Watt.

Zwei Tage später bekomme ich eine schriftliche Zusage von

dem angeschriebenen Kreditunternehmen.

Parallel zu diesem Schreiben wurde ein Einschreiben mit den

dafür Notwendigen Unterlagen abgeschickt ich soll nur die

Bearbeitungsgebühren von Hundertachtundsiebzig € zahlen.

„Die Gebühren werden wohl mit der ersten Rate abgezogen,“

Peter sieht sich das Schreiben an, „sieht ja gut aus,“

Meine Söhne sind begeistert und gleichzeitig melden sie

Wünsche zum Weihnachtsfest an.

Ich habe kein gutes Gefühl bei allem. Das geht zu einfach.

Andererseits ist mir zu diesem Zeitpunkt alles Egal,

Wenn ich Abends meine Söhne sehe,

wie dick angezogen sie ins Bett gehen.

Ich hätte auch beim Kredit Hai unterschrieben.

Ein paar Tage später kommt ein Einschreiben in Dina 4 Format

dieser Bank, den ich aber erst ausgehändigt bekomme wenn ich zahle.

Peter und ich wägen ab.

„Mutti ich bezahle die Hälfte, kannst es mir ja später zurückgeben.“

Mit nicht sehr gutem Gefühl im Bauch gebe ich mir einen Ruck und bezahle.

Jetzt halte ich ein paar Unterlagen in der Hand

in denen es nicht mehr um einen Kredit,

sondern um eine Schuldumschreibung geht. Johannes erklärt es so.

„Die bezahlen nicht dir das Geld aus,

sondern demjenigen,

dem du etwas schuldest.“

„Ah ja? Ich schulde aber keinem etwas, sondern du und Christian.“

Jetzt ist guter Rat teuer, auch ich will diesen Kredit,

mir reicht es, ohne Strom zu leben.

Justus denkt lange nach.

„Wenn wir aus der Sache rauskommen wollen, schreibe ich dir einen

Schuldschein aus und den schicken wir hin.

Ja so machen wir es.“

Gesagt, getan.

Alles wird noch am selben Tag abgeschickt.

Aber in dem Moment, in dem der Brief im Briefkasten landet,

fühle ich, da wird wohl kein Geld kommen,

wir sind Betrügern aufgesessen.

Ich schwöre mir, wenn diese „Bank“ noch einmal Geld fordert

bin ich raus aus dem Geschäft.

Eine Woche vergeht, mein Holz neigt sich dem Ende zu,

draußen weht ein eisiger Wind, wie es im winterlichen Norddeutschland

Sitte ist. Also muss ich Holzbrikett kaufen,

da unsere Motorsäge Strom braucht, um das restliche Holz zu sägen.

Der Generator ist für diese Sachen nicht geeignet.

Auch meine Geldreserven neigen sich dem Ende zu.

Entweder Strom oder eine warme Bude.

Eines Morgens klopft der Postbote an die Haustür.

Ein Päckchen wird mir ausgehändigt.

„Meine Tochter“

ich lächel, als ich das, sehr gut mit Klebeband

umwickelte Paket endlich öffnen kann.

Was hat sie mir alles für Schätze eingepackt?

Drei Paar flauschige Socken, Slips, eine große Tüte Teelichter,

zwei Päckchen Feuchtigkeitstücher, damit ich nicht immer das eiskalte

Wasser ins Gesicht spritzen muss.

Trockenshampoo für zwischendurch,

etwas Süßes für die Seele,

eine kleine Taschenlampe mit Batterien, die eine große Helligkeit verstrahlt.

Und einen Brief.

Peter will ihn mir aus der Hand reißen, aber nö nö, den hat sie mir geschickt.

Ich entfalte den Brief und Einhundert € flattern zu Boden.

„Meine Susi“

Tränen bahnen sich ihren Weg ins Freie und ich verschwinde

erst einmal in meinem Schlafzimmer, um zu heulen.

Anderen, auch meinen Söhnen habe ich diese Seite an mir nie gezeigt.

Dort wird alles weggeschwemmt, der Frust, die Enttäuschung und jetzt die

Freude, aber auch Erleichterung.

Eine Woche vor Weihnachten.

Den Brief lese ich allein, es könnten ja wieder Tränen fließen.

Zuerst wird Holzbrikett gekauft, damit wir über Weihnachten nicht frieren.

Es ist noch immer kalt draußen und auch das Haus kühlt aus,

da bleibt es nicht aus, dass wir uns hastig anziehen.

Dann werden noch die Tanks mit Benzin gefüllt.

Das waren die Einhundert €.

Aber die Holzsorgen bis zum neuen Jahr sind vom Tisch..

Vom Justus höre ich, dass mein Ex ihn auf unsere Stromsorgen ansprach.

„Ihr müsst dafür Sorgen, dass der Strom wieder eingeschaltet wird,

ich würde ja gerne helfen habe aber nicht das Geld dazu.“

„Ha ha,“ kann ich nur höhnisch antworten,

wir hätten schon längst wieder Strom,

wenn er sich nicht quer gestellt hätte mit dem Wiesenverkauf.

Und dann ist Heiligabend.

Ich habe noch Einhundertelf € auf dem Konto.

Mit dem Einkauf habe ich bis jetzt gewartet, man kann ja nie wissen,

was noch alles dazwischen kommt.

Beim Einkaufszettel schreiben habe ich mir viel Zeit gelassen.

Was brauchen wir wirklich?

Das Wort Hefe schleicht sich auf meinen Einkaufszettel.

Was soll ich mit Hefe?

Bis zu diesem Weihnachtsfest gab es bei uns immer gebratene Ente mit

selbstgebackenem Brot. Dazu Kroketten und Rotkohl.

Als Kind liebte ich es, das Brot in die Soße zu tunken.

„Ich muss umdenken,

nur das Nötigste wird gekauft.“

Alles muss ohne Kochen genießbar sein.

Noch nicht einmal Kartoffeln, für einen einfachen Kartoffelsalat

kann ich kochen. Ganz zu schweigen von der Mayonnaise,

die ich selbst anfertige.

Mein Kartoffelsalat ist bei allen beliebt.

Sogar mein Sohn aus Hamburg hatte das Rezept mitgenommen.

Kartoffelsalat und Frikadellen. Wie bei Mutti.

„Vergangenheit, alles ist Vergangenheit.“

Ich wische die bitteren Gedanken zur Seite, „Positiv denken.“

„Dann sind wir im Geschäft und beim Bezahlen fällt mir ein,

„du warst nicht bei der Bank.“

Also zücke ich meine Bankcard.

Pech ist nur,

sie sagt, „ich bezahle nicht.“

Peinlich berührt und mit hochrotem Gesicht lasse ich den Einkaufswagen

stehen und fahre zur Bank um mich zu erkundigen, wo der Fehler liegt.

Keiner mehr da, die Bank hatte am Heiligabend nicht geöffnet.

Auf meinen Kontoauszügen wird meine Annahme bestätigt, es sind noch 111€

auf dem Konto.

Na wunderbar, ich gehe zum Bankautomaten und der zeigt an

„es sind nur noch vierzig € verfügbar.

Wie dass?

Ich weiß, dass ich kein Geld abgehoben habe.

Dann hungern wir Weihnachten. Mir ist alles egal.

Ich kann mit einem oder auch ein paar Äpfeln leben.

Trotzdem schreie ich zu Hause meinen Frust ins Haus.

„Wer hat das Geld abgehoben?“

Nach einigem überlegen gesteht Peter,

“ ich habe gestern mit deiner Karte das Benzin bezahlt.“

„Eines mein Sohn kann ich dir schwören,

ich gehe heute nicht noch einmal zum Einkaufen, macht ihr es,

wenn ihr über Weihnachten etwas im Magen haben wollt,

mir reicht es.“

Meine drei Söhne fahren los, hundeelend setzte ich mich in die Stube.

Jetzt kann ich meinen Tränen freien Lauf lassen.

Wie fühlt man sich?

Vornehm ausgerückt, „bescheiden.

Ich will nicht immer die starke Mutter sein!“

Nach einer Stunde kommt ein Weihnachtslied pfeifender Peter ins

Wohnzimmer. „Mutti wir haben für Weihnachten alles gekauft.

Am Heiligabend gibt es gekauften Kartoffelsalat und Würstchen,

Ein paar Dosensuppen, Brot, Aufschnitt, Tomaten und Paprika für den Salat.

Und hier dein geliebtes Marzipanbrot mit Nougat.“

Schon wieder schießen mir Tränen in die Augen,

kann sie aber schnell wegwischen.

Ich weiß, so viel habe ich die letzten zwanzig Jahre nicht mehr geweint

und das soll jetzt nicht zur Gewohnheit werden.

Dieses Weihnachtsfest wird von uns allen wohl nie vergessen werden.

Ich hoffe in einem Jahr lachen wir darüber.

„Ich habe mit Papa noch einmal über den Verkauf der Wiese diskutiert,

als er wieder das Thema „Strom“ ansprach.

Er ist jetzt einverstanden mit dem Verkauf.“

Mein Justus, wenn er will,

kann er Menschen am Nordpol Kühlschränke verkaufen.

Ohne mein Wissen hat er noch einmal seinen Vater bearbeitet.

Mit dieser Nachricht erfreut mich Justus kurz nach Sylvester.

„Wenn wir dann den Strom bezahlen, bleibt für jeden noch etwas vom

Geld übrig.“

„Gemach, gemach, mein Sohn,

so wie ich deinen Vater kenne, will er von der ganzen Summe

die Hälfte abhaben,

denk an meine Worte.“

Trotzdem fühle ich mich erleichtert und rufe bei unserer Tageszeitung an.

Noch am gleichen Tag, an dem die Anzeige in der Zeitung erscheint,

finde ich einen Käufer.

Eine Woche später ist der Kaufvertrag unterschrieben.

Selbstverständlich zu den Konditionen meines Ex,

wie ich es vorhersah. Aber ich bin zu diesem Zugeständnis gezwungen.

Strom oder Wiese.

Klar, dass ich auf eine schnelle Bezahlung dränge,

ich bin es leid ohne Strom zu leben.

Obwohl das Geld zuerst auf ein Anderkonto geht,

rät mir der Notar mit meiner Bank zu reden, da es noch bis zu einem

Monat dauern kann, bis das Geld auf meinem Konto transferiert wurde…

Frohen Herzens fahre ich, sobald der Kaufvertrag zugestellt wurde

zur Bank,

daran glaubend, dass jetzt endlich unser Strom wieder freigeschaltet wird.

Vielleicht schon Morgen? Innerlich atme ich auf.

Das ewige Benzin kaufen für den Generator wird teuer,

obwohl wir ihn nur ein paar Stunden anstellen.

Ich denke doch, dass die Bank mir die Summe für einen Monat leiht.

Aber,,,,

„Ha,“ so einfach geht es nicht, zuerst muss alles geprüft werden,

der Käufer könnte ja noch abspringen.

Ein paar Tage soll ich mich noch gedulden, wird mir warm lächelnd gesagt.

„Oh, ich bin ein „Warte“ Künstler, habe das Warten im Laufe meines

Lebens hinreichend gelernt.

Das einzige Mal, an dem ich nicht warten musste, war bei meiner Geburt.

Ich kam zwei Wochen zu früh. “

Dann nach ein paar Tagen kommt der Anruf.

„Die ganze Summe können wir ihnen nicht geben, nur ein Drittel.

Wenn sie dieses dem Stromkonzern anbieten,

werden die wohl mit sich reden lassen,

zur Not können sie ja auf mich verweisen.“

Ich bin perplex.

Wie jetzt,

die Bank bestätigt indirekt das Kommen des Geldes,

sonst hätten sie mir nicht ein Drittel des Betrages angeboten.

Ich kann aber nicht die ganze Summe an den Stromkonzern überweisen?“

Ist das die Bank, bei der ich und vor mir mein Vater

auf dem gleichen Konto Kunden waren?

„Ok, ok, ich weiß bescheid,

ich kann es zwar nicht nachvollziehen aber muss damit leben.

Ein paar böse Worte setze ich noch hinzu

und den viel zitierten Satz im Fernsehen.

„Wir machen den Weg frei.“

Nur bei mir geht dieses nicht.

Ich rief ohne Hoffnung beim Stromanbieter an,

denn, wie schon am Anfang meiner Misere lässt der Stromkonzern

mit den drei Buchstaben nicht mit sich reden.

„Fazit“,

bis Anfang März müssen wir weiterhin ohne Strom leben.

Man kann jetzt sagen „dann habt ihr aber etwas gespart,“

stimmt nicht, der Generator braucht Benzin.

Und diese Preise kennt jeder.

Aber gespart haben wir am anderen Ende.

Und zwar am essen, die Dickmacher kamen auf den Tisch.

Alles aus Dosen, in denen die versteckten Fette lauern.

Und an manchen Tagen gab es nur Brot.

Dank meiner Freundinnen hatte ich in dieser Zeit

wenigstens immer saubere Wäsche.

Ein Danke geht an meine Tochter Simone,

die mich zu dieser Geschichte animierte.

Elke Heinze